Dilettante Kartoffeln wetteifern um die Gunst des Vaters

In seiner künstlerischen Arbeit befasst sich Sebastian Neeb mit gesellschaftlichen Phänomenen, die wir zwar teils wahrnehmen, aber nicht immer leicht durchdringen.

Er betrachtet beispielsweise unsere Manipulierbarkeit und legt sein Hauptaugenmerk hier auf die dafür zum Einsatz kommenden Methoden und Mechanismen. Diese macht er sich zu Eigen und ahmt sie in oft überspitzt humoristischer Weise nach.

Dazu führt Neeb Darstellungsformen und Objekte aus dem kulturellen Gedächtnis unserer Gesellschaft zusammen und lässt sie kollidieren. Er bewegt sich dabei frei in vielen künstlerischen Techniken und sucht nicht vordergründig nach einem künstlerischen Duktus. Vielmehr wählt er die Techniken nach ihrem Vermögen aus, die ihnen zugeteilte Funktion in seinem künstlerischen Kosmos übernehmen zu können. Im Ergebnis arbeitet er in Serien mit häufig gegensätzlicher Ästhetik, welche im Ausstellungsmoment zusammenkommen und hier Bezüge zueinander offenbaren. Für Sebastian Neeb ist Kunst nicht zuletzt die Konfrontation des Betrachters mit einem Objekt. Aus dieser Warte ergeben sich bestimmte Ansätze, wie ein Kunstwerk konzipiert sein kann, um den Moment der Konfrontation zu gestalten und ihn in ein Nachwirken zu überführen.

Seine Ausstellung im Kunstverein Ludwigsburg mit dem vielsagenden Titel „Dilettante Kartoffeln wetteifern um die Gunst des Vaters.“ versammelt Arbeiten aus den vergangenen vier Jahren, welche beispielhaft sind für den komplexen künstlerischen Kosmos von Sebastian Neeb.

Der Besucher trifft auf goldene Trophäen für Nonsensleistungen, wie fürs Zurückwinken; auf altmeisterlich gemalte Portraits, auf deren aufwendig gestalteten Rahmen sich geschnitzte hölzerne Würste stapeln; auf Keramik-Kreaturen, die um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlen und auch auf das Konterfei des Künstlers, zu finden auf Zeichnungen von Heldenmythen, ausgeführt in der Manier alter Meister.

An einer der beiden langen Wände des White Cubes hat der Künstler zudem 107 kleine Keramikköpfchen installiert, welche alle, bis auf einen einzigen, vergoldet sind. Die Physiognomien sind immer individuell, mal grob, mal fein, mal tierisch, mal menschlich und auch oft irgendetwas dazwischen. Die Köpfchen gehören zu einer neuen Serie, welche hier zum ersten mal zu sehen ist und der Ausstellung auch ihren Titel gab. Eine Besonderheit dieser Köpfchen ist, dass sie alle auf der gleichen Grundform basieren, einem archetypischen Männerkopf der fast schon an eine Totenmaske erinnert und für deren Reproduktion der Künstler eine Form herstellte: der Vater.

Gefertigt aus schwarzem Ton, unglasiert und nicht vergoldet steht er im Zentrum der Installation. Die übrigen Köpfchen scheinen sich auf ihn zuzubewegen. Viele grimassieren, lachen und wirken, als versuchten sie in der Masse aufzufallen, um ihre Individualität unter Beweis zu stellen. Einige wenige hingegen wirken desillusioniert oder gar verängstigt.

Betrachtet man diese Wandarbeit, tun sich mehrere mögliche Lesarten auf und Begriffe wie Narzissmus, Anerkennung, Selbstdarstellung und Aufmerksamkeitsökonomie können einem in den Sinn kommen. Als Sebastian Neeb während des Künstlergesprächs zur Ausstellungseröffnung nach der Bedeutung der Arbeit gefragt wurde, antwortete er bewusst nicht eindeutig und berichtete statt dessen von den Zwiegesprächen, welche sich zwischen ihm und den einzelnen Köpfen während ihrer Herstellung ergaben.

Man könnte sagen, der Künstler vermeidet das Eindeutige, was aber nicht stimmen würde, denn er hat keine Angst davor auch mit teils deutlichen Symbolen zu arbeiten, wie etwa der Wurst. Es wäre viel zutreffender zu sagen, Neeb belässt es nicht beim Eindeutigen.